Das Leben eines Grafikdesigners: von den Neunzigern bis heute

Das Leben eines Grafikdesigners: von den Neunzigern bis heute

Tara Roskell Veröffentlicht am 5/2/2018

Die Arbeitsweise eines Grafikdesigners im Jahr 1990 hatte so gut wie nichts dem heutigen Arbeitsalltag dieses Berufs zu tun. Es geht zwar immer noch um das Erstellen von Designs und Bildern, mit denen für Kunden geworben werden soll, aber die Vorgehensweise dabei hat sich grundlegend geändert.

Hochschule für Grafikdesign 1990

Stellen Sie sich die Szene vor: der Vorlesungssaal einer englischen Hochschule für Grafikdesign im Jahr 1990. Was sehen Sie? Ich kann Ihnen sagen, wie das aussah, denn ich habe zu dieser Zeit studiert. Ein Raum mit freistehenden Zeichentischen, jeder davon mit einer Kiste voller Filzstifte, Bleistifte und Farben. Kein Computer weit und breit.

Obwohl die Designbranche bereits einige Jahre vorher auf digitale Verfahren umgestellt hatte, benötigten die Hochschulen immer noch eine Weile, um nachzuziehen, und die Kosten dafür waren erheblich. An meiner Kunsthochschule gab es 15 Computer mit winzigen Schwarz-Weiß-Bildschirmen für mehrere Hundert Stundenten. Damals verwendete man in der Designbranche die Layoutsoftware Quark Xpress, aber an der Hochschule gab es nur eine Ausgabe davon, die nur Dozenten bedienen konnten.

Um einem von Hand erstellten Design einen computergenerierten Text hinzuzufügen, wurde eine Software namens Freehand (ähnlich wie Adobe Illustrator) verwendet. Allerdings war kein Farbdrucker vorhanden. Stattdessen druckte man den Text in Schwarz-Weiß aus und verwendete die Omnicron-Maschine. Dabei handelte es sich um eine seltsame Vorrichtung, die ein wenig wie ein Laminiergerät aussah. Man legte ein Blatt Omnicron-Farbe über den Schwarz-Weiß-Ausdruck. Dann zog man diesen durch die Maschine und die Farbe blieb an der schwarzen Farbe haften. Zumindest in der Theorie, denn in der Praxis kam dabei lediglich ein unregelmäßiger Effekt aus schwarzer und bunter Farbe heraus.

Wenn man Fotografien für sein Design benötigte, wurden diese mit einer 35 mm Kamera aufgenommen. Schwarz-Weiß-Aufnahmen entwickelten wir selbst in der Dunkelkammer. Farbfilme brachten wir zur Entwicklung ins Fotogeschäft.

Die Arbeit als Nachwuchsdesigner im Jahr 1992

Meine erste Stelle als Grafikdesigner trat ich 1992 in der Marketingabteilung der Hochschule an. Ich wurde direkt ins kalte Wasser geworfen und bekam meinen eigenen Computer. Ich musste ihn zwar mit keinem anderen teilen, hatte aber keine Ahnung, wie man einen Computer bedient.

Wie schon erwähnt, war zu dieser Zeit Quark Xpress die meistgenutzte Software, und ich wurde schnell in die Grundlagen des Programms eingeführt. Mein Apple Mac war ein klobiger Kasten mit einem winzigen abgerundeten Monitor, aber wenn ich mich recht erinnere, hatte er bereits einen Farbbildschirm, was ja schon ein Fortschritt war. Photoshop konnte ich darauf jedoch nicht verwenden, da dieses Programm eine sehr hohe Prozessorleistung erforderte.

Der erste Job eines jeden Designers ist immer einschüchternd, dieser jedoch ganz besonders: Vorher hatte ich 6 Wochen für das Entwerfen eines Posters von Hand zur Verfügung gehabt und nun musste ich plötzlich innerhalb von sechs Stunden eines an einem Computer erstellen, den ich nicht bedienen konnte.

Der Arbeitsmarkt Mitte der Neunziger

Mitte der Neunziger lief die Jobsuche völlig anders ab als heute. Alles war sehr viel unkomplizierter und es galten fast überall Standardanforderungen: Man benötigte etwas Arbeitserfahrung und die einzigen Softwareprogramme, die man kennen musste, waren Quark Xpress für das Seitenlayout, Photoshop und Illustrator/Freehand. Das Internet war längst noch nicht der breiten Masse zugängig und die meisten, mich eingeschlossen, hatten noch nie davon gehört.

Es gab keine Anzeigen für Webdesigner oder sich daraus ableitende Jobs, die später aufkamen. In den Stellenanzeigen wurden einfach Grafikdesigner mit unterschiedlicher Arbeitserfahrung oder Mac-Anwender gesucht. Als Mac-Anwender galten in der Regel Personen, die wussten, wie man einen Mac und die dazugehörige Software bedient, aber nicht unbedingt Ahnung von Design hatten. Diese konnten dann an den Projekten arbeiten, sobald der Designer das grundlegende Konzept fertiggestellt hatte.

Die Arbeit eines Grafikdesigners Mitte der Neunziger

Mitte der Neunziger war es immer noch eine komplexe Angelegenheit, sich seine Designs absegnen zu lassen. Nur wenige arbeiteten bereits mit E-Mails. Wenn man seinem Kunden Designs oder Änderungen vorlegen wollte, gab es dafür drei Möglichkeiten:

  1. Ein Treffen mit dem Kunden vereinbaren und ihm die Entwürfe persönlich zeigen.
  2. Die Arbeit per Kurier oder als Expresssendung per Post an den Kunden schicken.
  3. Dem Kunden den Entwurf faxen.

Faxen war eine furchtbare Angelegenheit, da der Kunde meistens die Sendung nicht richtig lesen konnte. Manchmal entwarf man sogar eine faxfreundliche Version des Designs, ohne Bilder, um die Lesbarkeit beim Faxen zu verbessern.

Wenn man seinem Designprojekt Bilder hinzufügen wollte, lief das in jener Zeit (vor dem Internet) so ab: Man erstellte entweder seine eigenen Illustrationen, beauftragte einen Illustrator oder einen Fotografen oder entwarf ein Design, das nur Schrift und Farbe enthielt. Ungefähr zu jener Zeit kamen die lizenzfreien Bilderkataloge auf. Man konnte den Katalog nach potenziell lizenzfreien Bilder durchsuchen. Die Verwendung eines Bilds kostete ca. 200 £. Wenn man sich für einen Fotografen entschied, bekam man von diesem Dias, die man dann an einen professionellen Scandienst schickte.

Viele Projekte in dieser Zeit wurden in ein oder zwei Farben erstellt, was sehr viel kostengünstiger zu drucken war. Der digitale Druck kam noch so gut wie nie zum Einsatz. Bevor ein Auftrag zum Drucken versendet wurde, kam er ins „Repro-Haus“. Dort wurden die Dateien in Filme konvertiert, die anschließend für die Herstellung von Druckplatten verwendet wurden. Bei den Druckplatten handelte es sich um große Platten aus transparentem Azetat mit schwarzer Tinte. Für jede Farbe gab es einen Film. Manchmal wollten die Kunden nicht für einen Farb-Proof bezahlen. Dann musste man versuchen, mögliche Fehler auf den Filmen zu finden, was keine leichte Aufgabe war.

Die Arbeit als Grafikdesigner von Mitte bis Ende der Neunziger

Ich kann mich noch an den Moment erinnern, als ich herausfand, dass es in Photoshop als Neuheit Ebenen gab. Das kam einem Wunder gleich. Zunächst musste mir mein Chef jedoch erklären, was diese Ebenen eigentlich sind. Vorher wurde alles, was man in Photoshop bearbeitete, direkt dauerhaft gespeichert. Die einzige Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, war, in den unterschiedlichen Arbeitsschritten jeweils viele verschiedene Versionen des Entwurfs zu speichern. Die „Ebenen“ waren zwar ein riesiger Fortschritt, aber die Macs von damals hatten noch Probleme, die erforderliche Prozessorleistung zu erbringen. Häufig konnte man nach dem Verschieben einer Ebene erst mal eine Tasse Tee trinken gehen, da es an die 15 Minuten dauern konnte, bis der Computer den Befehl ausgeführt hatte.

Zu dieser Zeit wurde auch das „Internet“ immer bekannter und das Webdesign begann sich zu entwickeln. Damals wurden Websites statisch mit HTML erstellt und nur wenige Spezialisten hatten die erforderlichen Kenntnisse dafür. Im Jahr 1998 schenkte mir das Design-Unternehmen, für das ich arbeitete, ein Modem als Abschiedsgeschenk und ich dachte nur „Was soll ich denn damit anfangen?“ Bis dahin wusste ich noch nicht wirklich, was das Web ist und erst jetzt entdeckte ich die Vorteile der Internet-Einwahl. Und obwohl auch das noch frustrierend langsam ablief, erkannte ich, dass sich darin ein großes Potenzial verbarg.

Die Arbeit als Grafikdesigner von 2000 bis 2005

Zu dieser Zeit wurde die Kommunikation per E-Mail in der Design-Branche immer üblicher. In den Design-Unternehmen, für die ich arbeitete, gab es jedoch nur auf den Computern des Managements, das für den gesamten Kundenkontakt zuständig war, E-Mail-Zugang.

Digitalkameras waren nun erschwinglicher geworden. Sie hatten zu der Zeit zwar nur eine Auflösung von 1-2 Megapixel, stellten aber einen wirklichen Fortschritt für das Entwerfen von Grafiken dar. Wenn man ein Foto von einem Gebäude benötigte, musste man nur rausgehen und ein Foto machen, und konnte dann zu einem späteren Zeitpunkt noch einen professionellen Fotografen hinzuziehen. Auch die Fotografen begannen auf hochauflösende Digitalkameras umzustellen, mit denen der gesamte Vorgang sehr viel schneller ablief und der Schritt des Einscannens überflüssig wurde.

Istockphoto wurde im Jahr 2000 gegründet. Ich habe es allerdings erst einige Jahre später entdeckt (vor dem Erwerb durch Getty Images). Bevor es Istockphoto gab, musste man, wenn man ein Foto für sein Design benötigte, dieses entweder selbst machen oder mindestens 200 £ für ein lizenzfreies Bild bezahlen. Istockphoto stellte lizenzfreie Bilder für jeweils nur 1 $ bereit. Dadurch waren sie günstig genug, um sie in Grafiken zu verwenden, und sehr viel besser als die Bilder mit niedriger Auflösung und Wasserzeichen von anderen Websites. Dies erleichterte den Grafikdesignern zwar die Arbeit, hatte aber auch seine Nachteile. Denn wir alle nutzten dieselbe Sammlung an Bildern und erstellten fast keine eigenen mehr. Ich selbst beispielsweise hatte zuvor immer ziemlich viele eigene Illustrationen erstellt und jetzt nur noch sehr wenige. Bei engen Zeit- und Budgetplänen ziehen es die Kunden vor, günstige, annehmbare lizenzfreie Bilder zu bekommen, anstatt für eine maßgeschneiderte Illustration oder einen Fotografen zu bezahlen.

Ein weiteres wichtiges Merkmal dieser Zeit ist, dass Quark Xpress immer mehr Konkurrenz auf dem Seitenlayout-Markt bekam. InDesign 1 wurde im Jahr 2000 veröffentlicht, sein Erfolg ließ allerdings noch auf sich warten. Als es jedoch in einem Pack zusammen mit Photoshop und Illustrator erhältlich war, gingen immer mehr Designer dazu über, InDesign zu nutzen. Ich testete eine sehr frühe Version des Programms, die nicht sehr gut lief, was mich lange Zeit davon abhielt, zu wechseln. Wenn man eine Software bereits in- und auswendig kennt, kann es abschreckend sein, sich in ein neues Programm einzuarbeiten, insbesondere, wenn man Arbeit in den Druck schickt und Fehler somit teuer werden können.

Als ich mich 2003 selbstständig machte, war Breitband dort, wo ich wohnte, noch nicht verfügbar, und ich musste den Kunden die Artwork-Dateien auf CD per Post schicken. Wie oft bin ich in dieser Zeit zum Postamt gelaufen! Als ich ein paar Jahre später dann auch Breitband bekam, war das Senden per Post Vergangenheit.

WordPress  wurde 2003 gegründet und wird seitdem immer beliebter. Diese Anwendung erleichterte nicht nur nicht-technisch versierten Benutzern das Erstellen einer Website, sondern bot auch den Designern eine große Arbeitserleichterung. Manche machten sogar ein Geschäft damit, indem sie WordPress-Vorlagen und -Frameworks erstellten. In Stellenanzeigen wurde in dieser Zeit bereits nach Web-Erfahrung sowie nach Quark, Photoshop und Illustrator verlangt.

Die Arbeit als Grafikdesigner von 2005 bis heute

Auch in den letzten 15 Jahren hat sich wieder so viel geändert. Durch Smartphones und Tablets sind vollkommen neue Arbeitsstellen für Grafikdesigner in den Bereichen UI, UE und Videospiel-Design entstanden. Web-Designer müssen jetzt bei Ihren Entwürfen auch immer an die mobilen Geräte denken, fast sogar noch mehr als an Desktop-Geräte. Und damit nicht genug, hinzu kommen Video- und animierte Grafiken, deren Erstellung sich ein Grafikdesigner ebenfalls aneignen sollte. Seit Adobe 2013 auf einen vollkommen Abonnement-basierten Service für seine Software umgestellt hat, steht Designern eine große Vielfalt an unterschiedlichen Softwareoptionen in ihren Creative Cloud-Abonnements zur Verfügung.

Source: https://edubirdie.com/blog/engineering-papers-what-is-it

Mit der wachsenden Popularität von iPads und Tablets, sind neue Apps für das Design „On-the-go“ aufgekommen. Und nicht zu vergessen: Der Apple-Stift, mit dem hoch auflösende Illustrationen direkt auf dem Bildschirm gezeichnet werden können. So etwas hatte ich mir schon seit Jahren gewünscht.

Heute muss man nicht einmal mehr für lizenzfreie Bilder bezahlen. Websites wie Pixabay und Unsplash stellen kostenlos Bilder zur Verfügung, die vor zwanzig Jahren mehrere Hundert Pfund gekostet hätten.

Ein weiterer Vorteil der heutigen Zeit ist, dass man sich Wissen dank einer schnellen Google-Suche oder anhand von Online-Kursen aneignen kann. Ich wünschte, ich hätte diese Möglichkeit bereits 1992 gehabt, als ich in meinem ersten Job keine Ahnung von der Verwendung der Software hatte.

Die Zukunft

Welche Veränderungen werden wohl die nächsten 30 Jahre für die Arbeit des Grafikdesigners bringen ….?