So schießt man sich als Grafiker ein Eigentor

So schießt man sich als Grafiker ein Eigentor

Alessandro Bonaccorsi Veröffentlicht am 3/14/2018

Grafikdesign gilt als sehr kreative und hippe Arbeit, die noch dazu immer Spaß zu machen scheint. Und tatsächlich fühlen sich Grafiker häufig als begnadete Geister und kleine Genies: Sie sind sich ihres Publikums bewusst, das ihre Werke betrachten und anfassen wird; bei dem ihre Arbeiten bestimmte Gedanken und Gefühle hervorrufen werden.  Doch zwischen dem schöpferischen Prozess und der Verbindung zu seinem Publikum – zwei berauschenden, fantastischen Elementen – steht ein weiteres Element, das gern vergessen wird: der Moment der Ausführung bzw. die Erstellung der Druckdatei. Alle Begeisterung geht in kalten Schweiß über: Was, wenn beim Druck etwas schiefgeht? Mache ich etwas falsch? Wird das Endprodukt so aussehen, wie ich es mir vorgestellt habe… oder etwa doch nicht?!!! Und ab diesem Moment beginnt ein Gefühl der Beklemmung, das erst endet, wenn wir das Druckerzeugnis in den Händen halten. Da kann man noch so viel Erfahrung haben; selbst nach jahrelanger Tätigkeit bleibt die quälende Angst, etwas falsch gemacht zu haben. Die Zeiten haben sich natürlich geändert und noch vor 20 Jahren konnten einige Fehler einen Druckauftrag für einen ganzen Tag unterbrechen. Heute ist es dank der digitalen Technologie leichter möglich, einen Druckauftrag direkt während der Bearbeitung zu korrigieren. Manche Fehler werden jedoch erst am Endprodukt erkennbar.

Welche Fehler begehen wir am häufigsten, wenn wir eine Datei in den Druck senden?
Darauf wollen wir hier näher eingehen.

  • Die Druckdatei im RGB-Farbprofil anzulegen

Das ist einer der häufigsten Fehler. Dieser Punkt wird oft vernachlässigt, während man von Photoshop zu Indesign springt. Dennoch kann das falsche Farbmodell weitreichende Folgen haben.
Wir erinnern uns: RGB ist ein additives Farbmodell, das mit Licht arbeitet und auf Bildschirmen zum Einsatz kommt, während das CMYK-Farbmodell ein subtraktives Modell ist, das im Druck verwendet wird und bei dem die Farben aus Pigmenten bestehen. Die Abbildung zeigt eine Gegenüberstellung der beiden Farbmodelle innerhalb des für das menschliche Auge sichtbaren Farbraums. Diese können sich stark unterscheiden, insbesondere bei der Darstellung bestimmter Farben, wie den Grüntönen, einigen intensiven Blautönen und einigen Rottönen. Was Sie auf Ihrem Bildschirm sehen, kann sich somit stark von dem unterscheiden, was am Ende beim Druck herauskommt. Konvertieren Sie Ihre Druckdateien deshalb immer in den CMYK-Farbmodus.

Quelle: Adobe Technical Guides https://dba.med.sc.edu/price/irf/Adobe_tg/models/rgbcmy.html
  • Die Ausrichtung oder Seitenfolge eines Faltblatts falsch anzulegen

Faltblätter sind selbst mit dem klassischen Zickzackfalz nicht ganz einfach zu layouten. Hier gilt es, die Druckrichtung zu beachten und wie das Faltblatt geöffnet wird.
Besonders als Anfänger können einem hier schnell Fehler unterlaufen.
Machen Sie deshalb immer einen Probedruck, um zu prüfen, wo der Falz liegen muss bzw. wie das Layout der Seiten aufgebaut sein muss. So fällt es Ihnen leichter, die Datei in Illustrator oder Indesign auszurichten.

Unglaubliche Faltkunst: Flyer des Independent Film Festival in London, entworfen von Tim Clark Quelle: https://www.behance.net/gallery/18496733/Folding-Leaflet-Independent-Film-Festival
  • Die Beschnittzugabe zu vergessen

Der klassische Anfängerfehler: eine Datei ohne Beschnittzugabe in den Druck zu senden.
Eine um 1 mm verschobene Schnittlinie scheint belanglos, doch wenn die Beschnittzugabe fehlt, fällt das extrem auf. Es entsteht eine störende weiße Linie am Rand, die selbst das schönste Designprojekt ruinieren kann… zumindest wenn nicht der gesamte Hintergrund weiß ist!

  • Nicht anzurufen

Wir erstellen die Datei am Computer, geben online unsere Bestellung auf und versenden eine E-Mail. Fertig, die Datei ist abgeschickt und wir können uns ein wohlverdientes Feierabendbier gönnen. Es läuft ja ohnehin alles ganz automatisch ab, oder? Dabei vergessen wir, dass am anderen Ende jemand unsere Datei erhält, diese öffnet und kontrolliert (manche Anbieter führen eine automatische Kontrolle durch). Böse Überraschungen und Pannen lassen sich vermeiden, wenn wir die Hinweise und Richtlinien des Druckdienstleisters unserer Wahl sorgfältig durchlesen und nicht vergessen, dass es die Möglichkeit gibt, zum Hörer zu greifen oder technische Fragen per E-Mail zu klären.
Wir sollten Druckaufträge als eine Art Gemeinschaftsarbeit betrachten. Je besser die Kommunikation zwischen Grafiker und Druckdienstleister, desto besser das Endprodukt.

Plakat von Edward McKnight Kauffer für das britische General Post Office, 1937. Quelle: https://collection.cooperhewitt.org/objects/18448245/
  • Die falsche Datei in den Druck zu senden

Dieser Fehler kommt öfter vor, als man denkt, und lässt sich mit etwas Organisation leicht vermeiden.
Benennen Sie die Dateien einfach in fortlaufender Reihenfolge, zum Beispiel mit 0 oder 1 für den ersten Entwurf und so vielen weiteren Nummerierungen wie nötig, mit dem Datum der Bearbeitung oder mit speziellen Kennungen für die verschiedenen Bearbeitungsschritte (Entwurf -> Finale Datei -> Druckdatei).

  • Farben falsch einzusetzen

Farben können auf verschiedenste Weise falsch eingesetzt werden. Das Problem ist folgendes: Auf dem Bildschirm erscheinen alle Farben lebendig und kräftig. Einerseits ist dies der Hintergrundbeleuchtung zu verdanken, doch vor allem wenn man einen Bildschirm aus Glas besitzt, ist die Farbwiedergabe einfach atemberaubend.
Bevor man sein Design in den Druck sendet, muss man deshalb die Mattheit des Papiers berücksichtigen, sowie die unterschiedlichen Lichtbedingungen, die Ergiebigkeit der Tinte und das oben erwähnte, berühmte CMYK-Farbmodell.

Es kann durchaus passieren, dass das Druckerzeugnis unsere Erwartungen enttäuscht.

Deshalb gilt es, sich der „Farbfallen“ bewusst zu sein und besonders auf diese Punkte zu achten:

  • Besonders helle Farben können gedruckt noch heller erscheinen.
  • Text und Hintergrund müssen in ausreichendem Kontrast zueinander stehen, denn auf dem Bildschirm können gewagte Farbkombinationen lesbar sein, im Druck hingegen nicht.
  • Vorsicht bei der Auswahl der Grüntöne, denn hier ist die Vielfalt im Druck extrem eingeschränkt.
  • Auf besonders saugstarkem Papier können sich dunkle Farben vermischen, noch dunkler werden oder an Detailtreue verlieren.
  • Schwarz ist im Druck ein wahrer Albtraum.
Ein Plakat mit besonders schwierigen Druckfarben Design von Yutaka Satoh Quelle: https://571-0.tumblr.com/post/37703740474/design-yutaka-satoh

Dies sind nur einige Beispiele für Fehler, die am häufigsten auftreten, wenn wir Dateien in den Druck senden. Manchmal lassen sie sich auch durch besondere Sorgfalt nicht vermeiden (wenn die Deadline naht und wir bereits erschöpft sind). Wir empfehlen deshalb, einen besseren Überblick über den Prozess zu erlangen, indem wir Arbeitsschritte entwickeln, die wir immer auf dieselbe Weise ausführen. Außerdem sollten Sie alle in der Software verfügbaren Tools zur Dateiprüfung einsetzen (wie zum Beispiel die PreFlight-Prüffunktion in Indesign) und einen Probedruck anfertigen.

Es wäre doch zu schade, wenn Ihre gesamte Arbeit am Ende im Druck ihre Wirkung verliert…