Komplett abschalten ist gut für die Arbeit

Komplett abschalten ist gut für die Arbeit

Candido Romano Veröffentlicht am 8/8/2018

Jeder braucht mal eine Auszeit von der Arbeit, und sei sie auch nur kurz. Mehr und länger zu arbeiten bringt nicht automatisch bessere Arbeitsergebnisse: Wer nie eine Verschnaufpause einlegt, setzt seine schöpferische Kraft aufs Spiel.

„Ich brauche Urlaub!“ hat wohl jeder von uns früher oder später schon einmal gesagt. Doch die Zeit ist knapp, oder zumindest scheint es so. In einer rund um die Uhr vernetzten Gesellschaft, die nie zur Ruhe kommt, ist es unerheblich, ob man als Freelancer oder Angestellter in der Kreativbranche tätig ist. Als Selbstständiger muss man die eigene Arbeit organisieren, Kunden binden sowie fortlaufend neue akquirieren und die bürokratischen Anforderungen bewältigen. In Festanstellung unterliegt man vorgegebenen Zeiten und Fristen, die häufig zu einem Arbeitstag führen, der weit länger als die üblichen acht Stunden dauert.

Pausen und Auszeiten rücken in den Hintergrund, und so stellt sich bald ein Gefühl der Leere ein. Kreativität, Sorgfalt und Ansporn schwinden zusehends. Konzentration und Motivation gehen verloren. Man arbeitet gleichzeitig an verschiedenen Projekten, ist stolz, was man alles schafft, nur um festzustellen, dass das Endergebnis völlig unbefriedigend ist. Hat man dieses Stadium erreicht, kann das Konzept der Achtsamkeit und aktiven Erholung dabei helfen, die Lebensqualität im privaten und auch beruflichen Bereich zu verbessern. Mit Hilfe von Meditationsübungen lässt sich diese Haltung erlernen.Achtsamkeit ist die deutsche Übersetzung des Wortes „sati“, das in der Pali-Sprache – der liturgischen Sprache des Theravada-Buddhismus – „Vergegenwärtigung“ bedeutet. Die religiöse Komponente spielt jedoch keine Rolle. Mit diesem Konzept lässt sich ein intuitives und tiefes Gewahrsein dessen, was in jedem Augenblick geschieht, entwickeln, es handelt sich um ein regelrechtes Aufmerksamkeitstraining. Das in den 1970er Jahren von Jon Kabat-Zinn entwickelte Programm der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion, auch bekannt als „Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)“, war Gegenstand diverser Studien und ist weltweit wissenschaftlich anerkannt. Es wird auch in Europa in verschiedenen Fachrichtungen der Medizin und Psychotherapie angewendet.

Dank der MBSR-Meditationstechniken, wie etwa der bewussten Atmung, die sich inner- und außerhalb der Firma anwenden lassen, gelingt es, negative Gedanken bewusster wahrzunehmen, und zwar auch in unserer schnelllebigen Welt, in der es unmöglich scheint, innezuhalten, um sich klarzumachen, was uns in diesem Augenblick glücklich macht. Oft ist es unmöglich, sich einen Urlaub zu gönnen, deshalb ist es erforderlich, seiner Umwelt gegenüber eine andere Haltung zu erlernen, um sich zu verbessern und bessere Arbeitsergebnisse zu erzielen. Durch Anwendung der Achtsamkeitstechniken in den täglichen kleinen Pausen gelangt man nach und nach – und dies ist wissenschaftlich belegt – zu einer besseren Fokussierung, höheren Kreativität und mentalen KlarheitDen kreativen Burnout vermeiden

Arbeit im kreativen Bereich hat auch einen maßgeblich wirtschaftlichen Aspekt. Mithilfe ununterbrochener Arbeit werden in bestimmten Fällen diverse Ängste überdeckt: Verlust des Auftrags oder des Kunden, Umsatzeinbrüche, Schuldgefühle aufgrund verpasster Termine. In der Zwischenzeit bleibt das eigene Leben auf der Strecke und die schon zuvor prekäre Balance gerät vollkommen in Schieflage. Das nennt sich kreativer Burnout, ein Zustand, in dem man sich erschöpft und völlig antriebslos fühlt. Er wirkt sich auf Gefühle, Psyche und Verstand aus. Dies geschieht, wenn man über einen zu langen Zeitraum Stress ausgesetzt ist. Dabei ist es unerheblich, ob man im Homeoffice arbeitet oder eine große Agentur leitet – durch den kreativen Burnout geht die Antriebskraft völlig verloren.

Manchmal erscheint der Burnout unausweichlich, doch bereits kleine Veränderungen können den entscheidenden Unterschied machen. An diesem Punkt müssen zum Erhalt des psychischen und physischen Wohlergehens Schutzmechanismen einsetzen, um eine langanhaltende Erschöpfung abzuwenden. Kleine Pausen gilt es konstruktiv zu nutzen. Was tun?

Wirklich NEIN sagen: Zur Vermeidung des Burnouts ist es wichtig, Verpflichtungen zu reduzieren. Man darf sich auf keinen Fall selbst überfordern und muss nicht zwangsläufig bis an die eigenen Grenzen gehen.

Eine „echte“ Pause machen: Nach vielen Stunden Arbeit ist eine Pause keine nette Option, sondern zwingend erforderlich. Schon ein dreißigminütiger Spaziergang an der frischen Luft pro Tag kann den entscheidenden Unterschied machen.

Sich selbst nichts Unmögliches abverlangen: Manchmal ist es nicht machbar, all das, was man sich für den Tag vorgenommen hat, zu erledigen. Das ist beileibe keine Niederlage, sondern ein Zeichen dafür, dass zu viel auf der täglichen To-do-Liste steht.Wenige Tage (oder Meditation) können alles verändern

Diese Empfehlungen beruhen nicht auf obskuren Theorien. Abschalten, und sei es nur für kurze Zeit, kann Körper und Geist wirklich regenerieren, und die positiven Effekte werden von wissenschaftlichen Studien bestätigt. Dadurch werden die Batterien sprichwörtlich wieder aufgeladen, was auch eine gemeinsame aktuelle Studie der Icahn School of Medicine, der University of California und der Harvard University belegt. 94 Frauen im Alter von 30 bis 60 Jahren nahmen an der Studie teil. Wesentliche Erkenntnis: Bereits 6 Tage Urlaub oder Meditation können Veränderungen herbeiführen, die den Stress reduzieren und das Immunsystem mindestens 30 Tage lang stärken.

Die Forscher sprechen von einem Urlaubseffekt und einem Meditationseffekt: „Basierend auf unseren Ergebnissen zeigt sich, dass der Nutzen von Meditation nicht rein psychologischer Natur ist, sondern diese die Funktionsweise unseres Körpers entscheidend verändert”, ist in der Studie nachzulesen.

All dies führt uns zurück zum Achtsamkeitskonzept: Was verbirgt sich wirklich dahinter? Daniel Goleman, der „Vater“ der Emotionalen Intelligenz, streicht mit seinen Zitaten aus diversen Studien heraus, dass die Techniken der Achtsamkeitsmeditation einem „mentalen Fitnessstudio“ gleichkommen. Dies bedeutet, dass den Gedanken dabei kein Einhalt geboten werden muss, während der Meditation müssen sie umherschweifen und neue Verbindungen im Gehirn knüpfen, um die Konzentrationsfähigkeit zu steigern.

Zusammen mit der emotionalen Intelligenz, die sich nicht auf Rechnen oder Logik konzentriert, sondern auf die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und die der anderen zu verstehen, ermöglicht dies eine Änderung des eigenen Verhaltens in sehr stressigen Zeiten. Zuallererst muss man erkennen, dass man maximal gestresst ist: Viele sind niedergeschlagen, andere wütend. Es gibt dagegen verschiedene Übungen, die täglich in wenigen Minuten absolviert werden können. Hier eine kleine Auswahl:

Grounding: Dient der Wahrnehmung des Körpers und der Empfindungen. Man denkt an jeden einzelnen Körperteil, von den Beinen über die Arme zu den Händen und auch hinauf zu Hals und Stirn, also jenen Bereichen, in denen sich der Stress konzentriert. Das Erden hilft dabei, negative Gedanken abzulegen, die beispielsweise beim Autofahren auftauchen.

Geräuschen lauschen: Dabei hört man auf die aktuellen Geräusche in seiner Umgebung. Es spielt keine Rolle, ob dies ein Vogelzwitschern oder das Klappern einer Tastatur ist. Zudem wird versucht, auch die Stille zwischen zwei Geräuschen wahrzunehmen.

Keine Vorwürfe: Eine nicht wertende Haltung einnehmen. Während der Meditation kann es vorkommen, dass man abgelenkt ist, es geht darum, sich hierfür keine Vorwürfe zu machen, sondern die eigenen Schwächen zu akzeptieren, um sich selbst zu verstehen.

Oder man bucht, nach all diesen wissenschaftlichen und meditationsspezifischen Theorien, ein paar Tage in einem Resort und schaltet komplett ab. Auch das trägt zum eigenen Wohlbefinden bei.