Musée de l’Impression sur Étoffes, Mulhouse, Frankreich

Musée de l’Impression sur Étoffes, Mulhouse, Frankreich

Elisa Brivoal Veröffentlicht am 11/6/2018

Mit seiner Sammlung von über 6 Millionen Motiven ist das Stoffdruckmuseum „Musée de l’Impression sur Étoffes“ das wichtigste Zentrum für Textilmuster weltweit. Es liegt im französischen Mulhouse, einstiges Symbol der ab dem 18. Jahrhundert boomenden Textilindustrie, und ist ein wahres Kleinod in der elsässischen Museenlandschaft.

Für die aktuelle Wechselausstellung wurde gemeinsam mit dem Komponisten André Manoukian ein klingender Spaziergang durch die Exponate erarbeitet. „Bal(l)ade“ – so der Titel – lädt zu einem musikalischen Bummel durch die Textilgeschichte vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart ein, die mit modernster Digitaltechnik wirkungsvoll in Szene gesetzt wird.

Werfen wir also einen genaueren Blick auf dieses kleine Museum, das hinter seinen diskreten Mauern mit den großen Namen der Mode- und Dekorationsbranche unserer Zeit zusammenarbeitet.

Mulhouse: Aushängeschild der Textilgeschichte

 Die indischen Stoffe, die ab Beginn des 17. Jahrhunderts nach Europa importiert wurden, riefen wahre Begeisterungsstürme hervor. Kein Wunder also, dass im 18. Jahrhundert überall im Königreich Frankreich Textilmanufakturen gegründet wurden. Alle Welt war entzückt, mit Ausnahme der Woll- und Seidenweber. Diese Zünfte hatten durch die neue Konkurrenz beträchtliche Umsatzeinbußen zu erleiden. Zum Schutz dieser Berufsstände wurden deshalb etliche Verbote erlassen: So war es untersagt, bemalte Gewebe zu importieren, herzustellen und zu verwenden.

Doch trotz harter Strafen bis hin zur Verbannung aus dem Königreich ließ sich dieser neue Stoff, der viel Aufsehen erregte, nicht komplett verbieten. Zu jener Zeit gehörte Mulhouse nicht zu Frankreich, und die Stadt wusste diesen Umstand während der „Textilprotektion“ geschickt zu nutzen: Sie war ihren Nachbarn bald mehr als zehn Jahre voraus. Zudem eigneten sich die geografischen Gegebenheiten der elsässischen Gemeinde ideal für die Fertigung und den Handel mit diesen Textilien: Wasser im Überfluss, mitten durch die Stadt führte die Salzstraße für den Transport der Waren …

Bereits 1833 wurden erste Schritte für die Gründung des Museums unternommen: Industrielle aus Mulhouse taten sich zusammen und sammelten bedruckte Stoffe. Mit Hinterlegung der Statuten öffnete das Museum 1955 offiziell seine Pforten. Heute besuchen mehr als 30 000 Menschen jährlich die Sammlung.

Textildruck: 4 wichtige Phasen seit seiner Einführung in Europa

Die Indiennes

 Die Wurzeln des Stoffdrucks finden sich in Indien. Seit etwa 2000 v. Chr. sind indische Handwerker wahre Meister in der künstlerischen Gestaltung von Baumwollgeweben, „Indiennes“ genannt. Bei der Herstellung werden zwei Techniken gekonnt miteinander kombiniert: Die sich wiederholenden Motive werden mit Hilfe einer kleinen Holzplatte aufgebracht (die man sich wie einen Stempel vorstellen kann), die figurativen Partien mit einem „kalam“ (einem Bambusstift) aufgemalt.

Für den Fertigungsprozess braucht es zudem verschiedene Beizen – Metallsalze, mit denen die Naturfarben dauerhaft auf dem Gewebe fixiert werden. Dieser Technik ist eine reichhaltige Farbpalette zu verdanken, deren Haupttöne Krapprot und Indigoblau sind. Ende des 16. Jahrhunderts gelangten die Indiennestoffe als erste bedruckte Stoffe nach Europa. Die Neuheit löste wahre Begeisterungsstürme aus, und bald setzte ganz Europa bei Bekleidung und Innendekoration nur noch auf diesen Stoff. Im 17. Jahrhundert wurden die geschäftlichen Beziehungen zwischen Ost und West immer stärker.

Die Französische Ostindienkompanie importierte beträchtliche Mengen dieser leichten Stoffe. Zudem nahm sie vor Ort Einfluss auf die indischen Handwerker, um die auf den Indiennes abgebildeten Motive an den europäischen Bedarf anzupassen: Flache, stilisierte Blumen mit wellenförmigen Ranken und geometrische Muster aus natürlichen oder imaginären Pflanzen beherrschten fortan die Gewebe.

Stoffe aus dem 18. Jahrhundert

Die große Beliebtheit der Indiennes überstieg bald die Kapazitäten der Französischen Ostindienkompanie, die den Bedarf nicht mehr decken konnte. In den 1640er-Jahren ließen sich armenische Händler in Marseille nieder und imitierten die indische Technik: Die Geburtsstunde des europäischen Textildrucks.

Auch England und die Niederlande drängten auf den Markt. Die französischen Manufakturen waren überaus erfolgreich, was Proteste der Woll- und Seidenweber hervorrief. Dies führte, wie oben erwähnt, zur Protektion der Textilindustrie im französischen Königreich. 1759 wurden die Verbote aufgehoben, und ganz Europa wagte sich an die Fertigung, allen voran die Schweiz, England und die Niederlande. Zum Einsatz kamen die gleichen Werkzeuge wie für den traditionellen Druck, wie etwa die bereits erwähnte kleine Holzplatte, die als Stempel diente.

Die sehr geringen Selbstkosten erwiesen sich als echter Vorteil. In Hinblick auf die Rentabilität und aufgrund des fragilen Materials waren fein gezeichnete Motive jedoch nicht möglich, ein Problem, das es zu lösen galt. Dank der Zuhilfenahme von Messing gelangen filigranere Muster. Später wurden neben Holzplatten auch in Irland hergestellte Kupferplatten in Tiefätztechnik verwendet. Der Erfolg war nicht überragend, da die Werkzeugkosten im Vergleich zur geringen Rentabilität hoch waren.

Stoffe aus dem 19. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert revolutionierte die Textildruckindustrie. Im Mittelpunkt des kreativen Prozesses stand nun die Maschine. Durch die Einführung der Kupferwalzen konnte die Produktionsmenge um das 25-fache gesteigert werden, wodurch die Materialkosten amortisiert werden konnten. Auch die chemische Zusammensetzung der Färbemittel brachte den Textildruck ein großes Stück voran. 1856 entdeckte der englische Chemiker Perkin Mauvein den ersten synthetischen Farbstoff. Diese neuen Erkenntnisse im Bereich der Farben brachten zahlreiche Forschungen in Gang und führten zu ästhetischen Innovationen.

Stoffe aus dem 20. Jahrhundert

In den 1930er-Jahren erblickte eine neue Drucktechnik das Licht der Welt: Der textile Flachfilmdruck. Ein feinmaschiges Gewebe, auch Gaze genannt, wird auf einen Rahmen gespannt, und die Bereiche, durch die keine Farbe durchdringen soll, werden mit Lack abgedeckt: Das Verfahren wird auch als Schablonendruck bezeichnet. In den 1960er-Jahren erfolgte dann eine ähnliche Entwicklung wie im 19. Jahrhundert: Der Wechsel von Flachschablonen zu Rotationsfilmdruckmaschinen. Eine Rotationsschablone aus Nickel mit winzigen Löchern überträgt die Farben auf den Stoff. Diese Technik konnte sich rasch im Textildruck durchsetzen.

Und heute?

Die digitalen Inkjet-Drucker haben den Textildruck revolutioniert, denn zum ersten Mal entsteht kein Aufwand mehr für Gravuren, sondern nur noch für die Erstellung der Computergrafiken. So können auch kleinere Auflagen rentabel gedruckt werden.

Wechselausstellung „Bal(l)ade“: Interview mit Céline Dumesnil, verantwortlich für die Weiterentwicklung des Musée de l’Impression sur Étoffes

Die diesjährige Wechselausstellung zeigt ein breites Spektrum an Exponaten aus der Sammlung, die in völlig neuem Licht erscheinen. Mit Hilfe digitaler Techniken wie dem Projektionsmapping, dem Sounddesign oder einem interaktiven Multimedia-Parcours erwachen die Stoffe zum Leben, und durch den von André Manoukian für die Ausstellung komponierten „Soundtrack“ wird ihre Textur noch herausgestrichen. Céline Dumesnil, verantwortlich für die Weiterentwicklung des Musée de l’Impression sur Étoffes, gewährte uns einige Einblicke in ihre Arbeit und das Museum.

Bitte erzählen Sie uns von den Wechselausstellungen im Musée de l’Impression sur Étoffes.

Wir arbeiten nach dem Prinzip der jährlichen Wechselausstellungen. Dabei versuchen wir, immer nach dem gleichen Muster vorzugehen: Wir präsentieren unser reiches kulturelles Erbe und bitten einen zeitgenössischen Modeschöpfer, Designer oder – wie in diesem Jahr – Komponisten hinzu. Der Wechselausstellung räumen wir reichlich Platz ein, sodass das Museum jedes Jahr eine Metamorphose vollzieht. In der Vergangenheit haben wir beispielsweise mit dem Mode- und Industriedesigner Jean-Charles de Castelbajac zum Thema Kindheit gearbeitet, mit dem Modeschöpfer Christian Lacroix die verschiedenen Facetten der Kaschmirschals beleuchtet und zusammen mit der Grande Dame der Lingerie Chantal Thomass die Welt der Frau betreten. Ganz wunderbare Kooperationen.

Kooperation ist ein gutes Stichwort: Wie kam es zu der diesjährigen Zusammenarbeit mit André Manoukian?

Das war ein glücklicher Zufall oder viel eher eine glückliche Begegnung. Einer unserer Partner im Stoff- und Dokumentenarchiv „Service d’Utilisation des Documents“ ist das elsässische Unternehmen Barrisol, Weltmarktführer im Bereich Spanndecken. André restaurierte ein Künstlerhaus in Chamonix und wandte sich in diesem Zusammenhang an Barrisol. Er verwendete Motive aus der Designdatenbank des Museums für dieses Anwesen. Aus diesem Grund kam er persönlich nach Mulhouse, und wir traten mit der Idee für eine künftige Ausstellung an ihn heran: Die vielfältige Geschichte der Stoffmotive seit dem 17. Jahrhundert. Die Idee fand seine Zustimmung, und André sagte begeistert zu, den Spaziergang musikalisch zu untermalen.

Welche großen Themen werden in der Ausstellung behandelt?

„Bal(l)ade“ umfasst rund zehn Themen, darunter der mongolische Teppich als Juwel der Sammlung, unser ältestes und zugleich seltenstes Exponat von Anfang des 17. Jahrhunderts; die Imitate, d. h. die ersten europäischen Kopien, die auf Motiven der Indiennes basieren; verschiedene Kaschmirtücher; die textile Üppigkeit während der Zeit des Second Empire; das Thema Tradition, Design und Innovation …

Welche Digitaltechniken kommen in der Ausstellung zum Einsatz?

Wir setzen die Werke mit zahlreichen Technologien in Szene. Das Videomapping kommt insbesondere bei einer Installation zum Einsatz: Charakteristische Motive und rekonstruierte Silhouetten werden auf ein weißes Kleid projiziert, das als Projektionsfläche dient. Eine zeitgenössische Interpretation der Prinzessin aus dem Märchen Allerleirauh, die sich ganz unterschiedlich kleidet.

Wenn ich kurz vom eigentlichen Thema abweichen darf: Können Sie uns das Prinzip des „Service d’Utilisation des Documents“, kurz SUD genannt, näher erläutern, das Teil des Museums ist?

UD ist eine Textilbibliothek. Über 6 Millionen Dokumente von Forschern, Stylisten und Modemachern aus der ganzen Welt sind in diesem Archiv vorhanden. Unsere Tätigkeit rund um die archivierten Dokumente ist eine Einnahmequelle für das Museum. Das Dokument verlässt niemals wirklich das Haus, sondern wir stellen unseren Kunden eine digitale Fassung des bedruckten Stoffs in hoher Auflösung zur Verfügung. Auf diese Art wird das textile Erbe mit Hilfe moderner Kollektionen bewahrt und zu neuem Leben erweckt. Zu unseren Kunden zählen unter anderem Ikea und die Maison Ladurée, die für ihre Macarons bekannt ist. Den Kunden steht es frei, das Motiv zu verändern, sie können es aber auch 1:1 verwenden.

Sind große Projekte für die Zukunft geplant?

Die nächste Ausstellung ist der Blume auf den Imprimés, also den bedruckten Stoffen, gewidmet. Sie wird am 26. Oktober 2018 eröffnet und vom Museum Yves Saint-Laurent Paris sowie den Modehäusern Agnès B. und Leonard Paris mit Beiträgen unterstützt.

Die Ausstellung „Bal(l)ade“ ist noch bis zum 30. September 2018 im Musée de l’Impression sur Étoffes in Mulhouse zu sehen. Sollten Sie in der Gegend sein, dürfen Sie diese fabelhafte Ausstellung keinesfalls verpassen. Genießen Sie die exotischen Blüten indischer Palampore-Stoffe, die pittoresken, ländlichen Szenerien der Toiles de Jouy, die pompöse Üppigkeit der Textilien des Second Empire, die Fülle an Details der verschieden gemusterten Kaschmirschals und vieles mehr.