Die Geschichte des Papiers: von den Anfängen bis heute

Die Geschichte des Papiers: von den Anfängen bis heute

Sarah Cantavalle Veröffentlicht am 5/5/2019

Die Geschichte des Papiers ist eng mit der Geschichte der Kultur und der Wissenschaft verbunden.

Der Stein, der die Geschichte des Papiers ins Rollen gebracht hat, ist naheliegend und gleichzeitig sehr wichtig.

Der Mensch hatte ein dringendes Bedürfnis: seinesgleichen bestimmte Informationen in schriftlicher Form zu übermitteln. Die Informationen mussten auf einem leichten, widerstandsfähigen und einfach zu transportierenden Träger fixiert sein. Die Erfindung des Papiers ermöglichte es uns, Papyrus und Pergament durch ein einfacher herzustellendes und, dank der Perfektionierung der Herstellungstechniken, kostengünstigeres Material zu ersetzen.

Das Aufkommen der digitalen Medien hat die Rolle des Papiers bei der Wissensverbreitung vielleicht getrübt. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass bis vor ein paar Jahrzehnten die Übermittlung jeglicher Art von Kenntnis auf einem Blatt Papier stattfand.

Dahin gehend ist die erste Definition von Papier der italienischen Enzyklopädie für Kinder Treccani interessant: „Ein unverzichtbares Material, um Ideen im Alltag zu verbreiten. Im Laufe der Jahrhunderte hat das Papier maßgeblich zum Fortschritt, zur Teilnahme der Bürger am demokratischen Leben und zur Erhöhung des Durchschnitts an Kultur und Bildung beigetragen.“

Die Geschichte des Papiers hat die Entwicklung des Menschen im Laufe der Jahrhunderte begleitet: von der Übermittlung neuer Erkenntnisse in Wissenschaft und Philosophie über die Verbreitung von Bildung bis hin zur Errungenschaft eines politischen und historischen Bewusstseins, das die Geburt der modernen Staaten eingeleitet hat.

Die Geschichte des Papiers: die Anfänge in China

Historische Quellen schreiben die Erfindung des Papiers Cai Lun zu, ein Würdenträger des Chinesischen Kaiserhofs, der 105 n. Chr. begann, Blätter aus Papier herzustellen, indem er Fetzen aus gebrauchtem Stoff, Baumrinde und Fischernetzen verwendete. Die Chinesen hüteten das Geheimnis ihrer Herstellung sorgsam über viele Jahrhunderte hinweg, bis im 6. Jahrhundert n. Chr. ihre Erfindung dank des buddhistischen Mönchs Dam Jing nach Japan gelangte. Die Japaner übernahmen diese Techniken zur Herstellung von Papier umgehend und begannen, eine Zellstoffpulpe zu verwenden, die aus der Rinde des Maulbeerbaums gewonnen wird, und stellten damit das wertvolle Material her.

Ein altes Stück chinesisches Papier
Das älteste Stück Papier, das bislang gefunden wurde. Es ist Teil einer Landkarte und wurde 1986 in Fàngmǎtān, im Nordosten Chinas entdeckt. Copyright: www.ilpost.it

Die Geschichte des Papiers: die Einführung in der arabischen Welt

Die arabische Welt entdeckte die Geheimnisse der Papierherstellung 751 n. Chr., als der Generalgouverneur des Kalifats von Bagdad in Samarkand zwei chinesische Papiermacher gefangen nahm und mit ihrer Hilfe eine Papierfabrik in der usbekischen Stadt errichtete. Von dort verbreitete sich die Produktion dank des hohen Vorkommens an Hanf und Leinen, zwei hochqualitative Rohstoffe mit besten Eigenschaften zur Herstellung von Papier, in weiteren Städten Asiens, besonders in Bagdad und Damaskus.

Die Vorgehensweise der arabischen Handwerker bei der Papierherstellung sah die Zerfaserung und das Einweichen der Lumpen in Wasser vor, bis man eine homogene Pulpe erhielt, in die man ein Sieb tauchte, das die eingeweichten Fasern auffing und das Wasser abfließen ließ. Die auf diese Weise gewonnenen Blätter wurden gepresst und getrocknet und am Ende mit einer Schicht Reisstärke versehen, die die Farbaufnahme begünstigte. Zur selben Zeit begann man auch in Ägypten und Nordafrika mit der Herstellung des ersten Papiers, indem man dieselben Techniken wie in der arabischen Welt verwendete.

Die Ankunft des Papiers in Europa

In Europa kam das Papier erst ab dem 11. Jahrhundert an, mit der Invasion der Araber auf Sizilien und in Spanien. Und es wurde, im Gegensatz zu Pergament, sofort als minderwertiges Material angesehen, sodass 1221 von Friedrich II. sogar ein Edikt erlassen wurde, das dessen Verwendung für öffentliche Urkunden verbot. Der Einsatz von Reisstärke regte nämlich den Appetit von Insekten an und machte das Papier somit wenig langlebig.

Die Geschichte des Papiers verdankt sehr viel den italienischen Papiermachern von Fabriano, eine kleine Stadt in den Marken, die im 12. Jahrhundert mit der Papierherstellung unter Verwendung von Leinen und Hanf begannen. Durch die Erprobung neuer Geräte und Herstellungsverfahren führten diese Papiermacher wichtige Innovationen ein:

  • Sie mechanisierten den Vorgang des Zerstampfens der Lumpen durch den Einsatz von hydraulischen Hammern und reduzierten somit die Herstellungszeit der Pulpe.
  • Sie führten die Leimung der Blätter mit tierischer Gelatine ein, bei Insekten ein unbeliebter Zusatz.
  • Sie schufen verschiedene Papierarten und -formate.
  • Sie begannen, das Papier mit Wasserzeichen zu versehen.

Durch die Einführung von Wasserzeichen konnte man das Papier mit Verzierungen versehen, die mit Hilfe von Metallfäden auf dem Schöpfsieb entstehen und die erkennbar sind, wenn man das Papier gegen das Licht hält. Sie dienten dazu, Markenzeichen, Unterschriften, kirchliche Wappen und weitere Symbole unterschiedlichster Art und Bedeutung anzubringen.

 Das Papier von Fabriano
Das Papier von Fabriano

Ab dem 14. Jahrhundert begann sich die Papierherstellung auch in anderen europäischen Ländern zu verbreiten. Am Ende des 15. Jahrhunderts, im Zuge der Erfindung der beweglichen Lettern, vollzog sie ein beachtliches Wachstum. Die Entdeckung Amerikas und die darauffolgende europäische Kolonialisierung brachten die Papierherstellung auch in die Neue Welt. Eine spannende geschichtliche Anektode in Mark Kurlanskys „Paper. Paging Through History“ erzählt von der Zeit, als die aufständischen Kolonien Nordamerikas alle englischen Waren boykottierten, mit Ausnahme des wertvollen Materials, das in den Londoner Papierfabriken hergestellt wurde.

Papier als Massenkommunikationsmittel

Die industrielle Papierproduktion begann im 19. Jahrhundert mit der Entwicklung von Zeitungen mit hohen Auflagen und den ersten Bestseller-Romanen, die große Mengen Zellulose zu günstigen Preisen erforderten. Schon 1797 entwickelte Louis-Nicolas Robert die erste Langsiebpapiermaschine, die einen Bogen mit der Länge von 60 cm produzieren konnte. Als der Vorrat an für die Papierherstellung benötigten Lumpen zu Ende zu gehen neigte, versuchte man diese mit anderen Materialien wie der aus Holz gewonnenen Pulpe zu ersetzen. Mit der Entwicklung neuer Techniken zur Bearbeitung von Pflanzenfasern von Bäumen ging der Preis für Papier deutlich zurück, und im Laufe von wenigen Jahren wurde das Material zu einem Produkt des täglichen Bedarfs. Allein in England stieg die Papierherstellung von 96.000 Tonnen im Jahr 1861 auf 648.000 Tonnen im Jahr 1900.

Die von Louis-Nicolas Robert erfundene Langsiebpapiermaschine.
Die von Louis-Nicolas Robert erfundene Langsiebpapiermaschine.

Und noch einmal kreuzte die Geschichte des Papiers die des Menschen: Durch die Verbreitung des günstigen Papiers wurden Bücher und Tageszeitungen für jedermann zugänglich, was die Alphabetisierung der mittleren Klassen begünstigte. Es dauerte aber noch bis zum Ende des Jahrhunderts, als es auch für andere Zwecke, wie der Herstellung von Toilettenpapier, Verpackungen und im Weiteren von Spielzeug und Einrichtungsgegenständen verwendet wurde.

Der Einfluss des Papiers auf die Umwelt und ökologische Entscheidungen

Die Papierherstellung bedarf des Einsatzes beträchtlicher natürlicher Ressourcen: Um eine Tonne Papier herzustellen, benötigt man 2 bis 2,5 Tonnen Holz und 30 bis 40 Kubikmeter Wasser. Außerdem benötigt man elektrische Energie und Methangas, um die in den verschiedenen Produktionsphasen eingesetzten Industriemaschinen zu betreiben. Und je nach Papiersorte benötigt man auch umweltbelastende chemische Zusatzstoffe. Aus diesem Grund ist es wichtig, wenn möglich umweltfreundliches oder recyceltes Papier zu verwenden, das den produktionsbedingten Umwelteinfluss verringert.

Eine Karte aus Recyclingpapier
Eine Karte aus Recyclingpapier

Umweltfreundliches Papier wird aus Zellulose gewonnen, die aus FSC-zertifizierten Wäldern (Forest Stewardship Council) stammt, in denen die Standards für Umwelt, Soziales und Wirtschaft genau eingehalten werden. Das Recyclingpapier hingegen wird aus wiederverwerteten Papiermaterialien gewonnen. Dennoch werden Chlor zur Bleiche und weitere chemische Zusätze verwendet, was es weniger umweltfreundlich macht als man in der Regel denkt. Um sicher gehen zu können, ein wirklich umweltverträgliches Material zu wählen, ist es ratsam, sich für ein Papier mit Ecolabel-Zertifizierung zu entscheiden, ein EU-Gütesiegel, das die aus ökologischer Sicht besten Produkte auszeichnet.

Die Alternativen zu Papier

Eine optimale Alternative zu herkömmlichem Papier ist das Papier „Crush“, das die italienische Firma Favini anbietet und das mit Obst- und Gemüseresten produziert wird. Mit diesem Papier lässt sich die industriell bedingte CO2-Emission um 20% reduzieren und bis zu 15% Zellulose einsparen. Außerdem eignet es sich für viele verschiedene Zwecke, von Etiketten für den Lebensmittel- und Weinbereich bis hin zum Druck von hochwertigen Einladungen, Katalogen und Broschüren.

Das von Favini produzierte Papier „Crush“
Das Papier „Crush“ von Favini, mit Ausschüssen der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie. Copyright: www.favini.com

Die neueste Erfindung der Papierfabrik Favini ist „Remake“, ein Papier, das zu 25% aus Ausschüssen der Lederproduktion und der Lederwarenindustrie, zu 40% aus recycelter Zellulose und zu 35% aus reinen FSC-zertifizierten Zellfasern besteht. Ein sehr hochwertiges, recycelbares und kompostierbares Material, das sich bestens für den Druck von edlen Verlagserzeugnissen und luxuriösen Verpackungen eignet.

Ein weiterer geeigneter Ersatz ist Hanf, ein äußerst widerstandsfähiges Material, das schon von antiken Völkern zur Papierherstellung verwendet wurde, erst von den Chinesen und dann von den Arabern. Der Anbau dieser Pflanze erfordert nicht den Einsatz von Pestiziden und liefert die 3- bis 4-fache Menge an Fasern im Vergleich zu traditionellen Wäldern. Das größte Hindernis sind hierbei die Herstellungskosten der Hanf-Pulpe, die im Vergleich zu denen der Zellulose-Extraktion sehr hoch sind.

Unser Artikel zur Geschichte des Papiers endet hier, aber wir sind sicher, dass die technologischen Innovationen im Zusammenhang mit diesem Material noch einige Überraschungen für uns bereithalten! Die Geschichte des Papiers ist alles andere als fertig erzählt und sein Reiz und sein Nutzen werden uns noch viele Jahre begleiten.